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Nach dem Fieber - Kyras Party


KYRAs PLATTENSCHRANK

Marvin Gaye - What's Going On
Marvin Gaye: "Whats Going On" (1971)

Ich erinnere mich genau, wann und wie ich diese Musik das erste Mal hörte. Das war in Konnersreuth. Skylar hatte mir einfach diese dicken Kopfhörer auf den Kopf gesetzt und ließ mich fünf Minuten allein. Es war das erste Mal, dass ich richtige Musik hörte, also jenseits der üblichen Klampfen-Lieder, die manchmal bei uns am Lagerfeuer gespielt wurden. Ich hatte dabei einen emotionalen Zusammenbruch, bemühte mich aber, dass Skylar und Oleg davon nichts mitkriegten. Das war nur Tage nachdem unsere Siedlung überfallen wurde und die Schönheit dieser Musik traf mich wie ein einstürzendes Haus. Ich wusste nicht, was das für Instrumente waren und wer dieser leidenschaftliche Mann war, dessen Stimme sanft wie warmer Sommerwind war. Ich hatte all diese Jahre versucht, die "Honks" zu verstehen, doch ich hatte mich nie mit ihrer Musik beschäftigt. Doch meine musikalische Unschuld haben ich an Marvin Gaye verloren. Erzählt aber bitte nicht Skylar, dass ich so gefühlsduselig bin.
Marvin Gaye - What's Going On
Herbie Hancock: "Sextant" (1973)

Das war eine der drei Platten, die ich mit Eddie in Rothenburg ob der Tauber geborgen haben. Ich hätte mich Ohrfeigen können, dass wir so ein Risiko eingegangen waren. Denn Eddie wuchs mir ans Herz und ich hätte es mir nie verziehen, wenn ... Diese Platte ist sehr schräg. Es sind nur drei Stücke drauf und die Musik blubbert und wabert so vor sich hin. Am Anfang konnte ich damit nicht so viel anfangen. Aber mir gefiel das Cover sehr. Inzwischen finde ich diese Musik irgendwie doch recht faszinierend, auch wenn ich dafür in Stimmung sein muss. Doch Teil der I.M.A. zu sein, bedeutet auch, neuen Sounds gegenüber offen zu sein. Ich lerne noch immer, und entdecke fast jede Woche neue Musik. "Sextant" finde ich inzwischen recht "groovig" und das Schlagzeug ist sehr gut. Inzwischen kann ich zu sowas tanzen. Aber nur wenn niemand zusieht. Artur sagte mir, dass das in der "Grellzeit" Musik für Jungs war und man hätte ganze Landstriche überqueren müssen, um eine Frau zu finden, die bereit war, sich das anzuhören. Die Honks liebten ihre kulturellen Beschränkungen.
Marvin Gaye - What's Going On
Serge Gainsbourg: "Histoire de Melody Nelson" (1971)

Dieses Album ist der Wahnsinn. Eigentlich passiert da musikalisch nicht so viel. Es ist auch nicht sehr lang. Doch es hat dieses lässige, zurückgelehnte Stimmung. Karev meinte, Serge Gainsbourg ist der berühmteste Perverse der Rockmusik gewesen. Was immer das auch heißt. Um so lustiger, dass ich diese Platte das erste Mal nackt gehört habe. Wirklich. Eddie und ich waren gerade aus Rothenburg geflohen, und wir hatten durch die Kloake kriechen müssen, um vor den Aggros zu entkommen. Ich hatte mich gewaschen und meine Kleidung aufgehängt. Dann legte ich diese Platte auf und streckte mich ausgezogen auf dem Holzboden aus, schloss die Augen und ließ langsam die ganze Aufregung versickern. Ich glaube, diesem Serge hätte das sicherlich gefallen. Er kann aber nicht so schlimm gewesen sein, wenn ihn diese Jane Birkin ertrug. Die Orchester-Passagen von Jean-Claude Vannier sind besonders toll. Erinnert mich an Film-Musik. Ja, ich weiß inzwischen, was Film-Musik ist. Ich glaube, mein Lieblingsstück aus dieser LP ist "Cargo Culte".
Marvin Gaye - What's Going On
Ramases: "Space Hymns" (1971)

Wieder so ein seltsames Album von 1971. War da in diesem Jahr irgendwas im Wasser? Aber inzwischen finde ich den Sound sehr faszinierend. Ich glaube, gerade in den 70ern schien es immens wichtig für Musiker zu sein, sich zu unterscheiden und eine eigene musikalische "Handschrift" zu haben. Und Ramases hatte diese recht eindeutig. Ist es Folk Music, Psychedelic Rock?
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